Nachdem lange unklar war, wie und ob reisen in 2020 möglich ist, hatten alle im Spätsommer gedacht, das Schlimmste sei überstanden und Reisen wieder möglich. Wir haben eine Auszeit aus verschiedenen Gründen bitter nötig und so beginnen wir zu planen. Wohin uns der Weg führen soll, ist relativ schnell klar – Südtirol, der Dauerbrenner unter unseren Urlaubsdestinationen. Denn die Vorteile in einer Pandemiezeit liegen auf der Hand. Wir können mit dem Auto anreisen und sind auf keinen Flug/Zug angewiesen. Darüber hinaus wollen wir raus in die möglichst einsame Natur zum wandern fernab von Menschenansammlungen. Wir entscheiden uns für den Vinschgau, der anders als Meran, Brixen, Bruneck und Umgebungen noch nicht so stark frequentiert ist von Touristen. Der Vinschgau im Westen Südtirols liegt im obersten Teil des Etschtals und wird in Ober- und Untervinschgau unterteilt. Die Region, die unweit der Schweizer Grenze liegt, erstreckt sich von Naturns im Meraner Land bis hin zum Reschenpass. Wir verbringen einen fünftägigen Wanderurlaub im Vinschgau in Südtirol und zwar im Ort Burgeis. Das kleine Dorf liegt im Obervinschgau, der umgeben von 3000ern gewaltige Ausblicke bietet. Hier kommen also sechs Tipps für deine Auszeit im Vinschgau.
Sechs Tipps für einen Wanderurlaub im Vinschgau in Südtirol
1. Sonnensteig – Sentiero del Sole
Wir laufen an unserem Anreisetag einen Teil des Sonnensteigs. Der Sonnensteig ist ein 20 Kilometer langer Themenweg, der am Kloster Marienberg unweit von Burgeis beginnt und über Mals bis nach Spondinig führt. Da der Weg auch durch Burgeis führt, eignet er sich ganz prima für unsere Nachmittagswanderung. Vorbei an der Sennerei überquert ihr die Etsch und lauft an der Straße, bis ein Schild den Sentiero del Sole nach links Richtung Felder ausweist. Ihr lauft dort über freie Fläche mit fantastischem Bergblick und schließlich auf den Oberwaal Richtung Mals. Der Weg ist ohne großen Steigungen und leicht zu gehen. Nach etwa einer Stunde erreicht ihr das Café Magronda, das oberhalb von Mals direkt am Sonnensteig liegt. Ihr kommt also automatisch daran vorbei. Wir genießen dort ein Stück Kuchen, ein heißes Getränk und einen sagenhaften Ausblick. Von dort drehen wir um und erreichen in einer knappen Stunde pünktlich zum Abendessen wieder Burgeis. Hier siehst du den kompletten Verlauf des Sonnensteigs.
2. Rundwanderung zu den Pfaffenseen
Die knapp sechsstündige Wanderung beginnt direkt in Burgeis. Aus dem Ort raus geht es hinauf vorbei an einem kleinen Bergsee, der so klein ist und neben dem Weg liegt, dass wir ihn beim Aufstieg direkt fast übersehen. In mal steil mal weniger steilen Passagen geht es rauf zu den Pfaffenseen auf 2.222 Meter. Zugegeben der Aufstieg mit über 1.000 zu bewältigenden Höhenmetern treibt abschnittsweise den Puls nach oben, doch schließlich erreichen wir den kleinen Pfaffensee, der zugefroren ein echter Hingucker ist. Gleich dahinter liegt der große Pfaffensee und das Bergpanorama dahinter ist wirklich unschlagbar. Wir machen es uns auf einer Bank am See mit unserem Mittagssnack gemütlich. Alternativ bietet sich eine Einkehr in der Plantapatschhütte (je nach Schneelage bis ca. Ende Oktober geöffnet) an, die an der Bergstation des Sesselliftes Watles liegt, etwa zehn Gehminuten vom Pfaffensee. Der Abstieg erfolgt über ebendiese Bergstation, dann über Prämajur bis man über das Kloster Marienberg wieder Burgeis erreicht. Übrigens begegnen wir bei Auf- und Abstieg nur einer Handvoll Menschen. Einzig oben am See sind ein paar Leute unterwegs, die den kurzen Weg vom Sessellift zurückgelegt haben. Aber auch da ist die Anzahl an Menschen sehr überschaubar. Die Wanderung findest du hier.
3. Eine Etappe des 360° Obervinschgau Rundweges laufen
Oder natürlich mehrere Etappen, das ist ganz dir und deiner Zeit vor Ort überlassen. Der 360° Obervinschgau Rundweg verbindet elf Dörfer auf neun Etappen und insgesamt 110 Kilometern. Manche Etappen lassen sich zu einer großen Tagestour zusammenfassen, andere sind alleine schon eine Tagestour. Hier findest du eine Übersicht über alle Etappen und hier die Wegbeschreibungen. Da unser Hotel einen kostenlosen Shuttle zum Ausgangspunkt der sechsten Etappe anbietet, nehmen wir die Gelegenheit wahr. Los gehts bei Prad am Stilfserjoch, wo gleich ein kurzer aber knackiger Anstieg wartet und dann über den Waldtierpfad Gumperle weiterführt. Das Symbol für den 360° Rundweg ist übrigens ein doppelter Kreis, siehe Bild unten. Die Zeit bis zum zwölf Kilometer entfernten Etappenziel Glurns ist mit vier Stunden veranschlagt und der Verlauf des Wegs eher entspannt. Wir genießen herrliche Aussichten und lassen uns bei einer Rast die Sonne ins Gesicht scheinen. Überhaupt muten nicht nur das Wetter, sondern auch die Vegetation mediterran an. Das ist es einfach, was ich an Südtirol liebe. Dieses mediterrane Flair verbunden mit sagenhaften Bergwelten und einem urentspannten Lebensgefühl – Entschleunigung pur. Wir erreichen nach knapp drei Stunden schließlich Glurns, die kleinste Stadt im Alpenland, und lassen uns dort einen Kuchen schmecken. Von Glurns aus kannst du den Bus zurück nach Burgeis nehmen, das ist mit unserer im Hotel erhaltenen VinschgauCard kostenlos. Wir machen allerdings das, was wir immer machen: laufen. Nach Burgeis zurück wandern wir immer nahe der Etsch über Laatsch und Schleis zurück und erreichen nach weiteren eineinhalb Stunden mit knurrendem Magen unser Hotel.
4. Wanderung zum Haidersee, Reschensee (optional), Fauler See und Bergsee
Drei-Seen-Wanderung klingt ganz wunderbar finden wir und stiefeln von Burgeis los. Eigentlich wollen wir an diesem Tag einen kleinen Off-Day machen und nur bis zum frühen Nachmittag ein wenig wandern. Was soll ich sagen – es sind dann eben doch gute 18 Kilometer geworden, weil wir uns noch für einen “kurzen” Abstecher zum Reschensee entscheiden. In St. Valentin auf der Haide finden wir in einem Hotelcafé Unterschlupf, denn der Wind ist langsam doch ziemlich eisig. Eine heiße Schoki später ist wieder genug Energie da, um über den Faulen See zurückzulaufen. Der ist in der Tat ziemlich faul, besser gesagt der Wanderer wird faul angesichts eines so herrlich idyllischen Sees. Wir lassen uns auf einer Holzbank nieder und genießen den Moment. Einmal innehalten und Südtirol einatmen. Dann gehts weiter über besagten Mini Bergsee und von dort den letzten Kilometer zurück nach Burgeis. Hier findest du die Route. Wir sind sie quasi umgekehrt gelaufen, also von Burgeis gestartet und haben die Route noch um den Abstecher zum Reschensee erweitert.
5. Schweizer Bergluft schnuppern und die Uina Schlucht durchwandern
Mein Geburtstag soll mit einem Highlight gekrönt werden und wir starten eine mit Schwierigkeitsstufe “mittel” ausgewiesene Drei-Länder-Tour auf zwei Rädern. Italien – Schweiz – Österreich auf 70 Kilometern von Burgeis aus über den Sesvenna- und Schlinigpass, durch die schweizerische Uina Schlucht, bis ins Inntal in Österreich und von dort über den Reschenpass wieder zurück in den Vinschgau. Es klang so schön und machbar. Während zwei Tage zuvor an den Pfaffenseen auf ebenfalls über 2.000 Meter kein Schnee liegt, erwartet uns nun allerdings am Schlinigpass eine gute Portion an Schnee. Und so wird die traumhafte Biketour zum MTB-Albtraum, die Durchquerung der stellenweise vereisten Uina-Schlucht eine echte Grenzerfahrung (dort wird nur geschoben!). Aaaaaber als Wanderung kann ich eine Tour ins Val d’Uina nur wärmstens ans Herz legen. Nach der denkmalgeschützten Pforzheimer Hütte, die ein Museum beherbergt, erreichst du bald die Sesvennahütte (bis Mitte Oktober geöffnet). Kurze Zeit später überquerst du die unsichtbare Schweizer Grenze und kommst nach einer Weile an den Eingang der Uina Schlucht. Die ist wirklich sagenhaft, ein echtes Erlebnis. Du kannst nach der etwa ein Kilometer langen Schluchtdurchquerung bis nach Sur-En weitergehen, bedeutet aber noch etwa sechs Kilometer und 600 Höhenmeter mehr, die du auf dem Rückweg wieder bezwingen musst. Wer noch oder wieder Hunger nach oder in der Sesvennahütte nicht eingekehrt ist, kann das etwa drei Kilometer nach der Schlucht nachholen. Dort wartet die Uina Dadaint Alm, wo du dich mit einer leckeren Brotzeit stärken kannst. Auf gleichem Weg geht es wieder zurück. Also diesmal die Schlucht hochwandern und über den Schlinigpass und der Sesvennahütte zurück zu deinem Ausgangspunkt. Dass sich Hin- und Rückweg decken, finde ich nicht schlimm. Denn die Aussichten sind einfach so großartig, dass man sich ohnehin nicht sattsehen kann. Der Schlinigpass ist übrigens kein Pass im klassischen Sinne, er verläuft relativ flach durch ein Hochmoor. Es gibt verschiedene Laufrouten für die Uinaschlucht vom Vinschgau kommend. Hier startest du einmal an der Bergstation des Sesselliftes Prämajur. Eine (längere) Alternative, falls zum Beispiel die Lifte bereits Saisonende haben, ist mit Start in Schlinig. Nach Schlinig gibt es Busverbindungen, hier erkundigst du dich am besten vorab/in deiner Unterkunft.
6. Im Hotel Weisses Kreuz wohnen, entschleunigen und kulinarische Hochgenüsse erleben
Es gibt so viele tolle Wellnesshotels in Südtirol, man hat da jedes Mal die Qual der Wahl. Das Hotel Weisses Kreuz in Burgeis spielt in dieser Liga definitiv mit. Es gibt einen schönen Wellnessbereich, der zwar nicht riesig ist, aber alles hat, wonach sich Körper und Geist nach einem Wandertag sehnen. Wir wohnen im Neubau im Haupthaus in der Panoramasuite Arunda mit Ausblick auf die Ortlergruppe. Die Kulinarik unter der Leitung von Küchenchef Marc Bernhart ist allerdings next level. Ist sie in fast allen gehobenen Hotels in Südtirol schon exzellent, erlebst du hier echte Gaumenexplosionen. Nicht umsonst wird die Küche im Falstaff Restaurant-Guide 2020 empfohlen. Samstags gibt es ein sechsgängiges Gala Menü, an den anderen Tagen wirst du mit fünf Gängen immer noch mehr als satt. Wir haben uns jeden Tag wie verrückt auf das Abendmenü gefreut. Der Service ist übrigens auch große Klasse.
Der nicht ganz billige Übernachtungspreis ab 155 Euro pro Nacht/Person (in der Panoramasuite Arunda) war für mich angesichts der fantastischen Küche jeden Cent wert. Als Gourmet eine klare Hotelempfehlung. Übrigens ist auch das Frühstück erste Sahne: Jeden Tag gibts neben dem Buffet auf der Karte eine Auswahl an Eierspeisen und im Wechsel Süßspeisen wie zum Beispiel Crêpe, Milchreis, Smoothie, Joghurt mit Früchten und Granola etc. Super viele Produkte sind aus der Region oder sogar hausgemacht wie der köstliche Trüffelhonig, der dich am Käsebuffet erwartet.
–– Fazit zum Reisen während Corona ––
Ein heikles Thema und in der momentanen (Mutations-)Situation wohl vom Tisch. Während der Lockerungsphase letzten Herbst hielten wir es in dem Moment für vertretbar. Wir sind dort beim Wandern weniger Leuten begegnet als im Alltag in München oder im teils viel frequentierten Münchner Umland. Im Hotel Weisses Kreuz war alles coronakonform geregelt, wir konnten jederzeit den Abstand einhalten und beim Abendessen saßen am Nebentisch immer die gleichen Personen. Wir haben uns daher zu jeder Zeit sicher gefühlt, auch dank des sanften Tourismus im Vinschgau. Einheimische wünschten sich die Reisefreiheit erhalten, um ihre Einnahmequelle zu sichern. Jede Medaille hat zwei Seiten und es gibt neben Argumenten dafür auch genug dagegen. Das muss jeder – verantwortungsbewusst – für sich entscheiden, falls wir wieder in eine Zeit mit niedrigen Infektionszahlen kommen oder eben ohne größere Sorgen, wenn wir voraussichtlich nächstes Jahr wieder befreit und sicher reisen können. Bis dahin, lass uns schnell in den Vinschgau träumen – von Bergen, Panoramen, vom Duft nach Sauna, von Schluchten und von kulinarischen Erlebnissen.
